Die Vorteile der analogen Mittelformatfotografie gegenüber der digitalen KB-Spiegelreflexfotografie

Zunächst einmal: Die Vorzüge und Errungenschaften der Digitalkameras möchte ich nicht kleinreden. Heute wird es in der Regel immer so sein, dass die Digitalfotografie zur Grundausstattung eine Fotoamateurs gehört. Es geht hier also nicht um eine grundsätzliche Systemfrage sondern nur darum, ob analoge Mittelformatkameras als Ergänzung sinnvoll sind.

Unter der Voraussetzung also, dass man die Mittelformatkamera nur in besonderen Fällen und für exklusive Arbeiten einsetzt, möchte ich hier die folgenden Pluspunkte aufzählen.

1. Schärfe und Farbsättigung
Ein niedrigempflindlicher Rollfilm hat selbst gegenüber einem 20.000-Pixel-Sensor eine vielfach höhere Auflösung. Dieser Vorteil kommt hauptsächlich bei großen Abzügen zum Tragen. Aber auch schon beim kleinen Postkartenformat erkennt man Unterschiede bezüglich der Farbsättigung.

2. Besseres Kontrastverhalten
Digitalkameras leiden meistens darunter, dass sie zarte Bildtöne verschlucken (ausgefressene Lichter) und in sensiblen Bereichen den Bildkontrast verstärken. Die großformatigen Rollfilme geben dagegen (bei richtiger Belichtung) alle Bildnuancen objektiv wieder.

3. Stressloses Fotografieren mit Muße
Die Mittelformatfotografie ist weniger geeignet für Schnappschüsse. Ihre Domänen sind die Landschafts-, Architektur,- Stilleben, Produkt- und Portraitfotografie. Die Abkehr von der Vollautomatik liefert ein ungewohntes Fotografierempfinden.
Der Fotograf bestimmt selbst und kontrolliert den Tiefenschärfebereich (bei Bedarf wird der störende Vorder- oder Hintergrund in völlige Unschärfe getaucht), er wählt bewusst Blende und Zeit. Es ist daher mit der Mittelformatkamera einfacher, perfekt gestaltete und beeindruckende Spitzenfotos hinzubekommen.

4. Das Objektiv spielt auch heute noch eine Rolle...
Ein ordentliches Mittelformat-Standardobjektiv mit Festbrennweite kostet neu bereits das Dreifache wie eine komplette digitale KB-Spiegelreflex samt Zoomobjektiv. Es sollte einleuchten, dass diese Preisunterschiede sich auch in der Abbildungsleistung niederschlagen: also bessere Schärfe, ausgewogeneres Farb- und Kontrastverhalten, weniger Verzeichnung und Vignettierung (weniger Linienkrümmung am Rande und geringerer Lichtabfall in den Ecken).

5. Höhere Archivfestigkeit
Auf chemischer Basis hergestellte Fotodokumente gibt es bereits seit 170 Jahren. Negative und Fotoabzüge haben die lange Zeit bei normaler Lagerung nahezu unbeschadet überstanden, veränderte Technologien haben deren Nutzung nicht unbrauchbar werden lassen.
Die Digitalfotografie bietet diese Sicherheit nicht. Wer kann schon sicher sein, dass die sensiblen Speicherkarten, CDs oder Festplatten in 10 oder 20 Jahren überhaupt noch gerätetechnisch einsetzbar sind bzw. die Datenträger nicht Schaden genommen haben. Allein bei den im Großlabor hergestellten Fotoprints darf man auf eine lange Haltbarkeit hoffen (die meisten Digitalfotos werden aber nicht ausgedruckt).

6. Das andere Wertegefühl...
Ein im eigenen Labor vom 6x6-Negativ hergestellter Schwarzweiß-Handabzug im Großformat 40x50 genießt eine andere Wertschätzung als ein schneller Inkjetausdruck. Aber natürlich ist auch der Aufwand ein ganz anderer.
Allerdings muss man zugeben, dass bei unkomplizierten Motiven mit guten Inkjetpapieren und hochwertigen Druckern auch von Digitalfotos fantastische Prints hinzubekommen sind.

7. Unübertroffen - die Lichtbildprojektion
Die neuen teuren Beamer sind durchaus eine nützliche Erfindung. Qualitativ kann aber eine Beamer-Lichtbild kaum mit einem Kleinbild-Dia mithalten. Beim Vergleich zum 6x6 Mittelformatdia sind die Unterschiede noch deutlicher.

8. Originalität und Glaubwürdigkeit
Der Vorteil der Digitalfotografie, fotografische Gestaltungs- und Aufnahmefehler durch ein Bildbearbeitungsprogramm schnell korrigieren zu können, wird zum Hinkefuß, wenn es um die nachhaltige Wertigkeit und Dokumentationsechtheit geht.
Das Vertrauen auf Echtheit bei Digitalfotos ist eher gering, weil dort einfach zu viel manipuliert wird. Auch vor diesem Hintergrund genießen Handabzüge von Negativen eine andere Wertschätzung.

9. Der richtige Augenblick...
Bei Digitalkameras kommt es häufiger vor, dass gerade im entscheidenden Augenblick der Auslöser blockiert, weil zum Beispiel die automatische Scharfeinstellung noch nicht abgeschlossen ist oder die Belichtungsmessung versagt.
Der Verschluss der Mittelformatkamera kennt solche Streiks nicht und reagiert prompt ohne jegliche Zeitverzögerung.

10. Unauffälliges fotografieren - Personen fühlen sich nicht angestarrt
In der Personen- und Porträtfotografie erlaubt der Lichtschacht ein unaufdringliches Arbeiten. Der Fotograf blickt nach unten und schaut seinen Opfern nicht direkt und mit schwerem Gerät bewaffnet in die Augen. Gerade bei sensiblen Menschen entkrampft sich dadurch so manches Mal die angespannte Situation - der Gesichtsausdruck wirkt dann natürlicher.

11. Kaum störende Geräusche
Die zweiäugigen Rolleis erlauben ein weitgehend diskretes Arbeiten. Damit lässt sich selbst im Theater recht unauffällig professionell fotografieren. Es stört kein lauter Spiegelschlag, kein stetes Umhersurren der Schärfeautomatik, kein versehentlich ausgelöster Blitz - sondern eben nur das sanfte Klicken des Auslösers und der leise Filmtransport.

12. Robust und kälteunempfindlich
Die meisten Mittelformatkameras sind vollmechanisch und brauchen höchstens für den Belichtungsmesser eine Batterie. Dieser Umstand macht diese Kameras besonders wintertauglich. Gerade bei hohen Minusgraden kommt es bei den vollelektronischen Digitalkameras nicht selten zum Totalausfall.

13. Unkomplizierte Bedienung.
Die Bedienung der Mittelformatkameras ist im allgemeinen so einfach und logisch, dass auch der Laie eigentlich kaum etwas falsch machen kann. Man muss sich nicht durch ein 100seitiges Anleitungsbuch quälen, um gute Ergebnisse zu erzielen. Und wer ein einziges Mal mit einer Mittelformatkamera gearbeitet hat, wird die Handhabung sein Leben lang nicht vergessen.

Diese Punkte mögen vorerst genügen um zu belegen, dass es durchaus einen Sinn ergibt, auch heute im digitalen Zeitalter noch mit analogen Mittelformatkameras zu fotografieren.
Aber der wahre Amateur fotografiert ja nicht nur aus Berechnung und des besseren Ergebnisses wegen. Es geht ihm auch um den Spaß an der Sache. Und gerade hierbei kann die Mittelformatkamera punkten - weil sie eben ein ganz besonderes Fotografiererlebnis vermittelt. Und dieses Empfinden, diese unbeschreibliche Schaffensfreude ist mir persönlich wichtiger als alle sachlichen Argumente.

Manfred Müller, März 2004

 

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