Ist Selenskyj ein Weltenretter oder ein Provokateur?
Zerstört oder rettet der ukrainische Präsident die Ukraine? Es ist sicher schwierig, diese Frage zu beantworten. Es kommt halt immer auf den eigenen Standpunkt an. Die Opfer des Krieges und deren Angehörige (bereits nach 15 Monaten Hunderttausende Tote, Millionen Verwundete und Geflüchtete) werden vermutlich ein anderes Urteil fällen als die Theoretiker, Moralisten, Fanatiker und in Sicherheit Lebenden. Der Westen, der seine Werte meint um jeden Preis verteidigen zu müssen, hat eine andere Sichtweise als alle übrigen Kulturen, die jedoch 80 % der Weltbevölkerung ausmachen.
Zurück zur Grundsatzfrage: Ist Selenskyj nun ein Weltenretter oder ein Provokateur? Selenskyj wusste, dass die angestrebten EU- und Nato-Mitgliedschaften für Russland absolut inakzeptabel waren. Immer wieder daran zu rühren und das zum Hauptziel seiner Politik zu machen, war bestimmt nicht klug, sondern eine provokative Herausforderung. Wer die Sicherheitsinteressen einer atomaren Supermacht infrage stellt, muss mit allem rechnen. Was würden die USA sagen, würden Kuba oder Mexiko einem russischen oder chinesischen Militärbündnis beitreten wollen? Mit Atomraketen, die in 2 Minuten Washington oder New York auslöschen könnten? Die USA haben in den letzten Jahrzehnten immer wieder bewiesen, dass ihnen sowohl die eigenen Sicherheitsinteressen als auch die ihres Machtbereiches über alles gehen.
War
der Zerfall der UdSSR ein Segen oder ein Betriebsunfall?
Auch diese
Frage lässt sich kaum eindeutig beantworten. 1991 hat der
alkoholkranke russische Präsident Boris Jelzin den Zerfall der
UdSSR vorangetrieben. Um den über ihm stehenden Präsidenten
der UdSSR, den Reformer Gorbatschow, zu entmachten. Keiner weiß
bis heute, wer die Drahtzieher hinter diesem Putsch waren.
Man stelle sich einmal vor, ein US-Präsident würde eine
Aufspaltung der USA in Nord- und Südstaaten herbeiputschen,
womöglich im Auftrage einer ausländischen Supermacht
oder eingefädelt über einen gegnerischen Geheimdienst.
Welche globalen Verwerfungen würde das mit sich bringen?
Würden sich nachfolgende US-Regierungen mit der Spaltung des
Landes abfinden? Würden sie akzeptieren, dass sie nicht mehr die
dominierende Supermacht wären und der Dollar nicht mehr die
Leitwährung dieser Welt wäre (was die US-Wirtschaft schwer
treffen würde)?
Die
Ukraine hat bereits 72 Milliarden an Militärhilfe eingestrichen
Auch
unsere Regierung hat gerade wieder 2,7 Milliarden Euro locker gemacht
und liegt damit jetzt auf Platz 2 der Geberliste.
Berücksichtigt man die Kosten für die Aufnahme
ukrainischer Flüchtlinge und die Sanktionskosten (die
staatlichen Energiehilfen wegen ausbleibender Gas- und
Öllieferungen aus Russland belaufen sich allein für 2023
auf hundert Milliarden Euro - und dennoch überlegen bereits
viele Unternehmen eine Auslagerung ihrer Produktion), ist
Deutschland sogar die klare Nummer Eins der indirekt
Kriegsbeteiligten.
Muss die Nato die Ukraine nun bis zum Endsieg unterstützen? Muss
die Nato alles auf eine Karte setzen? Weil sonst ihr Engagement als
totaler Reinfall gewertet würde? Wozu die vielen Toten, die
Zerstörung der Ukraine, wenn am Ende doch Russland siegt?
Wäre es da nicht besser gewesen, schon im Vorfeld die Ukraine
vom EU- und Natokurs abzubringen oder spätestens nach dem
Einmarsch der Russen eine Kapitulation anzuraten? Sich auf einen
Krieg einzulassen, dessen Ausgang abhängig ist von
unbegrenzten Waffenlieferungen anderer Mächte, halte ich
für brandgefährlich! Auch was den Weltfrieden
betrifft.
Selenskyj
erhält den Karlspreis - zu recht?
Der
Karlspreis wird vergeben an herausragende Persönlichkeiten, die
sich für Europa und die europäische Einigung verdient
gemacht haben. Aber trifft das auf Selenskyj zu? Europa befindet sich
nunmehr auch aufgrund seiner Politik am Rand eines dritten
Weltkrieges, eine Eskalation zum Atomkrieg kann nicht mehr
ausgeschlossen werden. Und Europa ist geteilt, denn der russische
Teil wird bereits als abgespalten betrachtet. Davon abgesehen:
Wäre eine UdSER, eine "Union der solidarischen
Europa-Republiken", erstrebenswert? Ist es sinnvoll, die über
Jahrtausende historisch gewachsenen Kulturen in einen inhomogenen
Vielvölkerstaat zu pressen? Der dann auch noch sperrangelweit
offen ist für Flüchtlinge aus aller Welt? Und das alles
ohne echten Rückhalt in der Bevölkerung?
Wie auch immer: Der Karlspreis liefert m. E. (wieder einmal) ein
gutes Beispiel, wie Lobbygruppen über Auszeichnungen und
Ehrenpreise die Gesellschaft und damit auch die Politik
beeinflussen.
Was
ist das für eine Demokratie, wenn die Bevölkerung nicht
einmal bei schicksalsrelevanten Kriegseinsätzen gehört
wird?
Wie
wäre die Lage, wären all unsere Bundestagsabgeordneten nur
ihrem Gewissen verpflichtet (so wie es unser Grundgesetz fordert) und
nicht Sklaven der Parteidisziplin? Gäbe es im Bundestag bis auf
wenige Ausnahmen geheime Abstimmungen, dürften viele
Entscheidungen ganz anders ausfallen:
dann hätten unsere Volksvertreter mehrheitlich
Waffenlieferungen in ein heikles Kriegsgebiet wahrscheinlich
abgelehnt,
dann wären vermutlich auch die Folgen von Sanktionen
anders gewichtet und somit unterlassen worden,
dann wäre auch die Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge
zahlenmäßig begrenzt worden. Etwa nach dem Vorbild der
dünnbesiedelten USA, die maximal 100.000 Flüchtlinge
aufnehmen. Aber auch nur, falls Bürgen für alle anfallenden
Kosten aufkommen.
Warum nehmen wir
unsere Verfassung in den Grundsatzfragen so wenig ernst? Warum gibt
es nicht einmal bei schicksalsrelevanten Kriegseinsätzen geheime
Abstimmungen? Warum braucht bei uns ein Einzelner nur wenige
Mitstreiter überzeugen, um epochale Entscheidungen zu
treffen?
Würde es grundsätzlich geheime Abstimmungen im Bundestag
geben, wäre es vorbei mit der Selbstherrlichkeit gewählter
Regierungen. Dann würde sich sogar das zähe,
demokratieferne Feilschen bei den Koalitionsverhandlungen
erübrigen. Derzeit ist es doch so, dass die Lieblingsanliegen
der Koalitionspartner durchgewunken werden, selbst wenn sie nur von
einem kleinem Bevölkerungsteil befürwortet werden. Auf
diese Weise können selbst fanatische Ideologien einer
10-%-Partei durchgeboxt werden (auf deren Parteitag sich gerade
einmal ein knappe Mehrheit dafür ausgesprochen hat). Darf von
einer parlamentarischen Demokratie gesprochen werden, wenn aufgrund
der Parteidisziplin schicksalsrelevante Entscheidungen getroffen
werden, die letztlich nur den Wünschen einer kleinen Minderheit
der Bundestagsabgeordneten entspricht?
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Ist
Selenskyj ein Weltenretter oder ein
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Müller
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© Manfred Julius Müller, Flensburg,
Erstveröffentlichung Mai 2023
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Anmerkung:
Der Sinn einzelner Thesen erschließt sich oft erst im
Zusammenhang mit anderen Artikeln des Autors. In einem einzelnen
Aufsatz können nicht jedesmal alle Hintergründe und
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Bücher
von Manfred J. Müller
"Ich
lese nur das, was meine eigene Meinung bestätigt! Ich
will mich ja schließlich nicht
ärgern!"
Mit
dieser weit verbreiteten Haltung ist der Demokratie aber wenig
gedient. Merkwürdig, dass man derlei Sprüche gerade von
Leuten hört die vorgeben, die Demokratie retten zu wollen und
sich selbst für tolerant halten.